Didaktik der Geschichte
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Studienexkursion nach Thessaloniki

Im Rahmen einer Exkursion des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte und Public History reisten 15 Studierende nach Thessaloniki. Geleitet wurde die Fahrt wie auch die begleitende Lehrveranstaltung von Prof. Michele Barricelli, Niklas Fischer und Moritz Pöllath.

30.06.2026

Die Exkursion widmete sich der Geschichte der Stadt als kulturellem Melting Pot, geprägt durch byzantinische, jüdische, osmanische und griechische Einflüsse. Besonderes Augenmerk erhielt die deutsche Besatzungszeit während des Zweiten Weltkriegs – insbesondere die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in dieser Stadt, die einst als „Jerusalem des Balkans“ galt: Im Jahr 1943 wurden fast 45.000 Jüdinnen und Juden, überwiegend sephardischer Herkunft, aus Thessaloniki größtenteils nach Auschwitz deportiert. Damit wurde eine jahrhundertealte, lebendige jüdische Tradition nahezu vollständig ausgelöscht.

Genauer über die Geschichte des Judentums in Thessaloniki und die Folgen des Holocaust informierte uns Hella Malaton von der jüdischen Gemeinde. Sie führte die Gruppe durch das ehemalige jüdische Viertel, zeigte uns die noch aktive Monasteriotes Synagoge und begleitete uns durch das Jüdische Museum, in dem die Spuren der nationalsozialistischen Verbrechen genauso wie das blühende kulturelle wie soziale Leben davor dokumentiert sind.

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Monasteriotes Synagoge 

Während der Fahrt setzten wir uns außerdem mit den Auswirkungen der Besatzungszeit auch auf die nicht-jüdische Bevölkerung auseinander. Ein wesentlicher Aspekt dabei waren die in Griechenland sogenannten „Märtyrerdörfer“, welche bis heute für die grausamen Massaker an der Zivilbevölkerung durch deutsche Einheiten stehen. Eines von ihnen ist das oberhalb Thessalonikis gelegene Dorf Chortiatis, in dem das „Jagdkommando Schubert“ am 2. September 1944 insgesamt 149 Menschen barbarisch ermordete. Die Gruppe besuchte das dortige Mahnmal und befasste sich am Ort mit der lokalen Erinnerung an das Verbrechen.

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Mahnmal im "Märtyrerdorf" Chortiatis

Besonders im Gedächtnis bleiben wird uns das Treffen mit dem Zeitzeugen Manoulis Gouramanis, der das Massaker als Siebenjähriger überlebte, später aber sogar für einige Zeit nach Deutschland ging.

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Zeitzeuge Manoulis Gouramanis (mitte) mit Exkursionsteilnehmern

Über das schwierige Thema der Versöhnung sprachen wir ebenso in einem Treffen mit der deutschen Generalkonsulin Monika Frank, die uns mit ihren Mitarbeiterinnen zu einem konstruktiven Austausch in der diplomatischen Vertretung am Ort empfing. Ausführlich berichtete Frau Frank über die bleibende Sichtbarkeit der Erinnerung an die deutschen NS-Verbrechen in Nordgriechenland und gab uns darüber hinaus relevante Einblicke in die spätere wechselhafte Zusammenarbeit der beiden Länder. Auf Hinweis der Generalkonsulin statteten wir auch der NGO „Naomi“ einen Besuch ab, die nach Griechenland gekommenen Geflüchteten Sprachkurse und Rechtsberatung, aber vor allem den Menschen erste Arbeitsverhältnisse bietet, indem sie diese im Nähen von Kleidung und Taschen unterrichtet; die Produkte werden übrigens in einem schicken kleinen Verkaufsraum präsentiert.

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Generalkonsulin Monika Frank (links) empfängt unsere Gruppe

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Teilnehmer besuchen die NGO "Naomi"

Schließlich empfingen uns die Vertreterinnen und Vertreter des 2019 gegründeten Deutsch-Griechischen Jugendwerks und berichteten uns dabei u. a. über das Projekt „Erinnern für morgen“. Darüber hinaus wurden wir über die Möglichkeiten der Förderung von Kooperationen im Rahmen des Jugendaustauschs zwischen beiden Ländern informiert, was die angehenden Lehrkräfte mit Interesse aufnahmen.

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Links DGJW Generalsekretärin Maria Nastou

Die Exkursion war in jeder Hinsicht lehrreich. Unsere Kenntnisse über deutsche Verbrechen im besetzten Griechenland während des Zweiten Weltkriegs wurden vertieft, aber wir konnten genauso neue Perspektiven auf den Wert der deutsch-griechischen Beziehungen entwickeln. Der Holocaust in Griechenland und die Massaker an der dortigen Zivilbevölkerung finden bisher wenig Beachtung in der bundesdeutschen Erinnerungskultur. Gerade deswegen müssen die Schule und künftige Lehrkräfte eigene Wege zu einer Verantwortung für das Gedenken beschreiten.